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BUCH-RECHERCHE

Jeder Ansatz zu einem Buch ist ebenso unterschiedlich wie dessen Inhalt. Entsprechend unterschiedlich ist auch der Rechercheaufwand. Es liegt in der Natur der Dinge, dass ein Sachbuch mehr Recherche erfordert als zum Beispiel manches Kinderbuch. Einen historischen Roman nur mit Schulwissen über Geschichte zu schreiben kann Spaß machen, wird allerdings kaum in einem Werk enden, welches andere Personen gerne lesen und oder kaufen werden.

Wie groß für Dich dann der tatsächliche Aufwand der Recherche ist, liegt vor allem an Deinem Vorwissen als Autors. Egal ob Kochbuch oder Historienroman: Als geübter und erfahrener Koch mit Interesse an, allerdings nur rudimentären Kenntnissen über das Raubrittertum, wirst Du Dir mit einem Kochbuch leichttun. Aber Du wirst sehr viel Recherche für den Historienroman benötigen. Umgekehrt als Historiker, der ein Buch über sein Lieblingsthema schreibt, dem aber sein Kaffeewasser anbrennt. Es heißt nicht umsonst: „Rede nie über Dinge, von denen Du nichts verstehst!“ Oder auch:

„Sprechen Sie über Dinge, über die Sie mit gutem Recht sprechen können, die Sie durch langes Studium oder eigene Erfahrung kennengelernt haben, über etwas, das Sie wissen, und wovon Sie wissen, dass Sie es wissen.“ (Dale Carnegie: Wirkungsvoll Reden).

Kochbuch schreiben
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Unser Historiker kommt nun in die Situation, dass er sich selbst Verpflegen muss. Nach einigen Wochen mit Restaurantbesuchen und Fertiggerichten beschließt er, selbst zu kochen. Wissenschaftler, der er ist, geht er die Sache entsprechend an. Wo die meisten anderen sich aus dem Internet Rezepte mit Einkaufslisten heraussuchen würden, liest er sich von Grund auf in die Thematik ein. Er beschäftigt sich mit unterschiedlichen Techniken, schaut Videos von Profis und zu außergewöhnlichen Rezepten, probiert sich durch Länder- und Regionalküchen. Er weiß irgendwann, welche Kräuter zu welchem Fleisch passen und welche Gewürze eine Soße mehr als gut machen – ohne Geschmacksverstärker. Was er hier gemacht hat, ist nichts anderes als Recherche. Er hat sich in die von Dale Carnegie oben beschriebene Situation gebracht, dass er über etwas sprechen kann, wovon er weiß, dass er es weiß – oder eben darüber schreiben.

Grundsätzlich wird es Dir immer leichter fallen, über etwas zu schreiben, von dem Du wirklich etwas verstehst. Was aber nicht heißen soll, dass reines Interesse an einem Thema zu wenig ist, um ein gutes Werk darüber zu verfassen. Es bedeutet nur sehr viel mehr Aufwand bei der Recherche.

Die US-amerikanische Anthropologin und Schriftstellerin Kathleen Joan „Kathy“ Reichs ist eine tolle Vertreterin für Leute, die aus ihrer Profession heraus wissen, was sie schreiben. Ich bin mir aber sicher, dass auch sie sich bei den kriminalistischen Szenen ihrer Tempe „Bones“ Brennan Romane der Recherche bedienen muss oder musste.

Für mich das leuchtende Beispiel derer, die einen extrem hohen Rechercheaufwand betreiben und damit fesselnde, nachvollziehbare Fiktion entstehen lassen, ist Frank Schätzing. Egal ob “Limit“, „Tod und Teufel“ oder „Breaking News“. Er ist weder Wissenschaftler, der sich mit der Entwicklung eines Weltraumfahrstuhls beschäftigt, noch war er beim Bau des Kölner Doms oder der Gründung Israels dabei. Und doch hat er so überragend recherchiert, dass man dies meinen könnte.  Andreas Eschbach meint zur Recherche allerdings: „Bei einem Roman die Recherche zu loben ist ungefähr so, als lobe man die Rechtschreibung.“ Insofern entschuldige ich mich bei Frank Schätzing 😉

 

Wie gehst Du Deine Recherche an?

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Was für eine Biografie oder ein Sachbuch selbstverständlich ist, gilt in vielen Punkten auch für Fiktion. Wenn die Handlung an realen Orten stattfindet, wird der Leser merken, dass München keinen Hafen hat. Und kommt ein Migrant über die grüne Grenze in ein Land, ist es hilfreich zu wissen, ob und wie die Polizei dort mit Schleierfahndern arbeitet und was den Migranten auf den Ämtern erwartet.

Wir dürften uns einig sein, dass, egal an welches Projekt wir uns machen, kaum ein Weg an Recherchen vorbeiführt. Wie also an die Sache ran gehen?

Um es vorauszuschicken:

Ordnung und System zahlen sich aus!

Zunächst bietet es sich an, dass Du anhand Deines Plots einen kleinen Fragenkatalog erstellst. Zu welchen Ereignissen, welchen Themen, welchen Figuren, welchen Orten oder Epochen benötigst Du (tiefer gehende) Informationen? Wie Du den Fragenkatalog anlegst, hängt von Deinen Vorlieben ab. Ob Du es handschriftlich oder als Excel-Liste machst, ist unerheblich. Du solltest nur darauf achten, dass die Punkte übersichtlich sind. Ich persönlich bevorzuge hier eine Checkliste in der Trello App. Diese nutze ich auch für das gesamte Buchprojekt und auch die schreibspass.de-Seite.

Der zweite Schritt ist ein geeignetes Ablagesystem für die gefundenen Informationen. Für Links kann das ein Ordner in den Lesezeichen Deines Browsers sein. Für handschriftliche Notizen oder Ausdrucke ein mit Registerblättern unterteilter Ordner. Welche Lösung Du auch immer nutzt, wichtig ist, dass Du dann, wenn Du die Information beim Schreiben benötigst, diese mit einem Griff zur Hand hast.

Das mächtigste Recherche-Werkzeug!

Internetrecherche
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Im Gegensatz zu früheren Generationen von Schreibern bietet sich uns ein mächtiges Werkzeug für unsere Recherchearbeit an, das Internet! Jeder kennt es und jeder nutzt es. Je nach Quelle gibt es zwischen 950 Millionen und 1,25 Milliarden Websites (ohne das Darknet), auf die Du zu Recherchezwecken zugreifen kannst. Der Satz zeigt aber auch schon die Krux an der Recherche im Internet. Zum einen bringt, egal zu welchem Thema, das Ergebnis einer Onlinesuche eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Ergebnissen. Zum anderen, und das macht es vor allem schwierig, widersprechen sich die Aussagen allzu oft, weichen deutlich voneinander ab oder sind schlichtweg falsch.

Ein paar Tipps zur Internetrecherche

  • Umso spezifischer die Suchanfragen formuliert werden, desto treffender und übersichtlicher die Ergebnisse. Also zum Beispiel nicht nach Mord suchen, sondern nach „Mord mit Messer“ -Pistole -Schusswaffe -Totschlag. (PS: zur Buchrecherche nach „Baupläne für Bombe“ zu suchen, scheint mir keine sooo gute Idee).
  • Es ist schwierig, die Qualität und Verlässlichkeit einer Quelle zu beurteilen. Grundsätzlich sollten eine Seite, deren Urheber schwer oder nicht erkenntlich ist, eventuell sinnvolle Quellenangaben fehlen oder die übersät sind von Rechtschreibfehlern mit großer Skepsis betrachtet werden. Und auch Wikipedia ist nur eingeschränkt vertrauenswürdig, wenn es um absolut korrekte Informationen geht. Jeder, der sich dafür hält, kann sich hier als Experte ausgeben und einen Beitrag schreiben, ändern oder ergänzen. Und es gibt genügend Fälle, wo sogar bewusst falsche Sachverhalte als Tatsache auf Wikipedia dargestellt wurden.
  • Ein recherchierter Punkt sollte vor der Verwertung im Buch unbedingt mit anderen Quellen verifiziert werden. Dies ist bei Sachbüchern natürlich wichtiger als bei Fiktion. Aber auch in einem Roman wird es peinlich, wenn München einen Hafen hat.

Ein Offline-Recherche ist teils aufwendiger, kann aber deutlich zielführender sein und viel Spaß machen.

Lexikon
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Encyclopædia Britannica

Der klassische Weg, den viele erfolgreiche Autoren bei der Recherche gehen. Das englische Nachschlagewerk behauptet von sich, dass darin das menschliche Wissen in größtmöglicher Breite und wissenschaftlich zuverlässig dargestellt wird.

Bibliotheken oder Archive

Im Internet ist dann doch noch nicht ALLES zu finden. Zum Beispiel findet man Informationen zu Ahnen nicht ganz so bekannter Personen der Zeitgeschichte eher in Kirchenarchiven. Für kleine Städte und nicht so touristisch erschlossene Regionen, ist die Ausbeute in Archiven auch meist besser.

Fachmann
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Experten

Die meisten Fachleute sprechen gerne über das, von dem sie außergewöhnlich viel Ahnung haben. Deshalb keine Scheu, diese anzusprechen!

Recherche-Tipp: Die meisten Fachleute sprechen gerne über das, von dem sie außergewöhnlich viel Ahnung haben. Deshalb keine Scheu, diese anzusprechen! Klick um zu Tweeten

Es gibt dabei zwei Zeitpunkte, an denen es sich besonders lohnt, mit Profis zu sprechen. Mit denen Du aber auch dem Experten gegenüber offen umgehen solltest.

  • Auf der Suche nach Grundlagen zu einem Thema, von dem Du wirklich kaum Ahnung hast und welches auch nicht wirklich sinnvoll anders zu erfassen ist. Hier wird Dir ein Experte, auf freundliche Nachfrage hin, sicher gerne behilflich sein. Als ich wissen wollte, was wie abläuft, wenn ein Migrant an der grünen Grenze aufgegriffen wird, saß ich schnell bei einer Tasse Kaffee im Büro des Dienststellenleiters in einer Polizeidienststelle.
  • Noch bereitwilliger sind Fachleute, wenn Du Dich mit einem Thema schon intensiv auseinandergesetzt hast und zur Vertiefung oder Verifizierung weitere Informationen benötigst. Wie alle Menschen freuen sich auch Experten, wenn man sich für ihr Lieblingsthema interessiert und helfen (meist) gerne. Versuche dabei aber nicht mit Deinem schon erworbenen Halbwissen zu glänzen! Zeige nur, dass Du Dich bereits damit beschäftigt hast und die Informationen absichern und vertiefen möchtest.

 

Mond
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Recherche vor Ort

Spielt die Geschichte an einem realen Ort, egal ob Fiktion oder Tatsachen, bietet es sich an, diesen Ort auch real zu besuchen. Beschreibungen zu und über diesen Ort gewinnen sehr und erscheinen viel lebendiger, wenn Du tatsächlich die Luft dort geschnuppert und die Atmosphäre aufgeschnappt hast. Zugegeben einfacher, wenn der Ort der Handlung die Heimatstadt oder die oft besuchte Urlaubsregion ist. Schwieriger wird es, wenn er auf einem anderen Kontinent liegt. Aktuell unmöglich wird es, wenn Deine Geschichte auf dem Mond spielt.

Ist die Handlung zum Beispiel in einem leeren Fabrikgebäude in Rom angesiedelt, reicht es allerdings sicher, wenn Du Dir eine leere Fabrik in Deinem Wohnort ansiehst. Die lokalen Faktoren Deiner Handlung kannst Du aus dem Internet beziehen.

Nun könnte man vielleicht meinen, dass wir uns die Zeit bei einer rein fiktiven Geschichte sparen können. Doch dem ist nur in sehr wenigen Fällen so. Selbst Fantasy-Romane folgen gewissen Regeln, welche recherchiert und beachtet werden wollen. Dass man diese nicht so einfach irgendwo aufgezählt findet, macht die Sache für Dich nicht gerade einfacher.

 

Du siehst also, dass der Aufwand von vielen Faktoren abhängt. Was weißt Du schon über das Thema? Wie leicht sind weiterführende Informationen verfügbar? Welches Genre und welche Zielgruppe möchtest Du bedienen? Allerdings solltest Du Dir auch bewusst sein: Recherche ist ein Mittel zum Zweck – ein Werkzeug.

Gut geschrieben und vor allem gut zu lesen, dabei etwas nachlässig recherchiert ist immer noch besser als umgekehrt!

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